Ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt…

1971 von Eva Mattes als Titelmelodie zur beliebten TV-Serie Pippi Langstrumpf gesungen, könnte diese Zeile nun auch als Motto für Hardcore Commodore Fans funktionieren. Warum? Lest weiter!

1982 veröffentlicht und 1983 auf dem deutschen Markt erschienen, bahnte sich mit dem Commodore64 ein sympathischer 8-Bitter seinen Weg in die Herzen der Gamer – egal was die 80’er Generation ihren Eltern über Hausaufgaben mit dem Computer berichteten. Zwar sind exakte Verkaufszahlen nicht bekannt, es dürften aber weit über 20 Millionen C64 weltweit gewesen sein, wobei der letzte um 1993 herum produziert wurde. Mit Lemmings scheint Psygnosis 1994 eines der letzten kommerziellen Erfolge für diese Plattform veröffentlicht zu haben. Dann folgte eine kurze Schaffenspause…

Und nun sind die Kids der 80’er erwachsen und viele der damaligen C64-User zu Informatikern geworden, die nun ein eigenes Einkommen haben, auf die Midlife-Crisis zusteuern und dringend ein Hobby brauchen. 🙂

Neben den unfassbar vielen und qualitativ erstaunlich hochwertigen Spiele-Neuveröffentlichungen macht das auch vor der Entwicklung neuer Hardware nicht halt.

Neue Hardware?

Richtig gelesen. Beispiele gefällig?

Jim Drew hat 2015 einen Prototypen seines WiModems für den Commodore64 vorgestellt. Inzwischen ist das Steckmodul, das den C64 via WLAN mit dem Internet verbindet kommerziell über seine Website cbmstuff.com erhältlich und erfreut sich regelmäßiger Over-The-Air Firmware Updates. Könnt ihr euch vorstellen, was das für ein Gefühl ist, auf dem C64 eine Terminal-Emulation zu starten und OTA die Firmware einer angeschlossenen Hardware zu aktualisieren? Oder via commodoreserver.com seine eigenen Disk-Images zu verwalten, zu mounten und so Spiele praktisch aus der Cloud für den C64 zu laden? Oder das berühmteste aller Text-Adventures – Zork 1 – via WiModem im Multiplayer-Modus online mit Freunden zu spielen und dabei zu chatten? Alles möglich!

Zu einem ähnlichen Preis erhältlich gibt es seit einiger Zeit das Mssiah Cartridge. Damit verwandelst Du Deinen C64 in einen leistungsfähigen MIDI Synthesizer! Doch auf dem Cartridge befindet sich nicht nur eine Sequencer-Software – die sich übrigens komfortabel mit einer Original C64-Maus bedienen lässt – sondern darüber hinaus auch noch ein Mono-Synthesizer, eine Bassline (vgl. Roland TB 303), ein Drummer (vgl. Roland TR 909) und ein Wave-Player. Und wem die drei Stimmen des SID nicht genug sind, der installiert einfach eine der vielen Stereo-SID Varianten und kommt in den Genuss von 6 Stimmen. Da viele Musiker es schätzen, ihre Ideen über ein MIDI-Keyboard einzugeben, gibt es auf dem Cartridge übrigens eine Standard-MIDI-IN Schnittstelle (DIN5), über die ein solches angeschlossen und genutzt werden kann.

Während die Liste problemlos weitergeführt werden könnte (4-Player Interface, SD2IEC, IDE-64, FPGASID,…) möchte ich abschließend dennoch noch ein weiteres Projekt erwähnen:

Jens Schönfeld ist praktisch der Gott der Commodore-Szene. Denn er hat es mit seinem C64 Reloaded Projekt nicht nur geschafft, ein neues C64-Mainboard zu entwickeln und zumindest seit dem zweiten Release, MK2 (sprich: Mark-II) auch kommerziell erfolgreich zu vermarkten, er hat sogar die Lizenzrechte erworben, so dass auf dem Board das offizielle Logo prangen darf. Achja: Und es passt in jedes handelsübliche Gehäuse ohne dass diese modifiziert werden müssen. Darüber hinaus ist das Board praktisch zu 100% zum Original-C64 kompatibel… nun,… es verfügt sogar über ein paar „Verbesserungen„. Bspw. hat Jens den TV Ausgang entfernt und durch einen S-Video Ausgang gepaart mit einer Standard Stereo Klinkenbuchse für Audio-Out ersetzt. Außerdem gibt es zwar einen Standard-Kippschalter, um das Gerät ein- und auszuschalten, dieser verfügt aber noch über einen dritten State: Du kippst ihn nach open für einen Reset und er kippt automatisch wieder in den mittleren State zurück. Ziemlich cool! Denn damit entfallen alle Zusatz-Basteleien für einen Reset-Taster. 🙂

Insgesamt gibt es eine ansehnliche Liste an Features! Dennoch musst Du eines im Blick haben: Einige Chips auf dem C64 lassen sich nicht neu kaufen. Um das MK2 Board betreiben zu können, gilt es also, einige dieser Chips aufzutreiben oder halt aus einem vorhandenen C64 auszubauen. Hier steht das Board also ganz klar im Zeichen eines Austauschboards – z.B. im Falle eines Defekts an der Original-Hardware.

Im Moment tut sich diesbezüglich übrigens einiges in der FPGA-Szene. Während Software-Emulationen bekanntlich ihre Tücken aufweisen (insbesondere der SID hat hier bereits einiges durchmachen dürfen), scheint sich hier eine Chance aufzutun: Die Idee ist es, 100% kompatible Chips zu produzieren, die nicht nur pinkompatibel zu den Originalen sind, sondern deren Funktionsweise auch noch komplett in Hardware nachbauen. Das FPGASID Projekt ist ein solches.

Angenommen also, auf das MK2-Board folgen Projekte, die alle erforderlichen Chips nachbilden… dann fehlt es nur noch an einem neuen Gehäuse und einer neuen Tastatur… richtig?

Richtig!

Und zumindest das Gehäuse gibt es im Prinzip bereits. Ich bekomme die Geschichte aus dem Kopf gerade nicht zusammen, aber irgendwer hat mal irgendwo in – ich glaub den Staaten – beim Lagerabverkauf schrottreifer Restbestände eines insolventen Unternehmens die Entdeckung des Jahrhunderts gemacht: Eine Original-Gussform vom C64-II Gehäuse. Nach einigen Versuchen, damit selbst etwas anzufangen, wurde die Gussform soweit ich mich erinnere veräußert, vom neuen Besitzer In-Stand-Gesetzt, Probleme damit behoben, ein Gehäuse-Produzent aufgetan, der auf Basis solcher Gussformen auch was produzieren kann und ein Kickstarter Projekt ins Leben gerufen, um den Spaß zu finanzieren. Was auch geschah. Das Ergebnis waren dann verschiedene Farboptionen – der Commodore CI nachempfunden (Blau, Rot, Standard-Beige). Ob die Gehäuse im Moment noch weiter produziert werden, weiß ich gerade leider nicht…

Und die Tastatur?

Dazu sag ich nur: Bitte lest euch das hier durch und staunt: http://www.breadbox64.com/blog/c64-keyboard-prototype/

Ich frage mich, wann endlich jemand mit genügend finanziellen Mitteln die Rechte am Namen Commodore kauft, erneut in Braunschweig ein Firmengebäude etabliert, Jens & Co einstellt und den ollen Brotkasten in Tuto-Kompletto baut. Einfach, weil es geht. Kann doch nicht so schwer sein. Und nochmal: Irre Geeks aus den 80’ern mit genug Geld, einer stabilen Midlife-Crisis und Hobby-Not gibt es doch wie Sand am Meer! Das muss doch nicht immer gleich in einer 40 Millionen-Dollar Yacht enden…

🙂

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